Zusammenfassung des Urteils IV 2006/146: Versicherungsgericht
Die Beschwerdeführerin, eine Frau, beantragte eine Rente aufgrund gesundheitlicher Probleme, die sie an der Ausübung ihrer Arbeit hinderten. Nach verschiedenen ärztlichen Untersuchungen und Gutachten wurde entschieden, dass sie zu 100 % arbeitsunfähig sei. Die IV-Stelle sprach ihr eine Invalidenrente zu, die später jedoch aufgrund eines Revisionsverfahrens eingestellt wurde. Trotzdem wurde auf eine rückwirkende Rückerstattung verzichtet. Die Beschwerdeführerin erhob Einspruch und forderte weiterhin eine volle Invalidenrente. Nach verschiedenen medizinischen Gutachten und Entscheiden wurde die Beschwerde abgewiesen, da festgestellt wurde, dass die ursprüngliche Rentenzusprechung aufgrund fehlerhafter Beurteilungen unrichtig war. Der Rechtsbeistand der Beschwerdeführerin wurde mit CHF 2'800 entschädigt.
Kanton: | SG |
Fallnummer: | IV 2006/146 |
Instanz: | Versicherungsgericht |
Abteilung: | IV - Invalidenversicherung |
Datum: | 14.12.2007 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | EntscheidRückforderungsverzicht (Entscheid Versicherungsgericht des Kantons St. |
Schlagwörter : | ähig; Arbeit; Verfügung; Haushalt; IV-act; Rente; Arbeitsfähigkeit; Arbeitsunfähigkeit; Einsprache; Wiedererwägung; Tätigkeiten; Gesundheit; Entscheid; Abklärung; Gutachten; Erwerb; Gallen; Bericht; Klinik; Revision; Gesundheitszustand; Versicherungsgericht; Invalidität; Beurteilung; IV-Stelle; Kantons |
Rechtsnorm: | Art. 53 ATSG ; |
Referenz BGE: | 125 V 389; 125 V 393; 127 V 466; |
Kommentar: | - |
Präsident Franz Schlauri, Versicherungsrichterinnen Monika Gehrer-Hug und Karin Huber-Studerus; Gerichtsschreiberin Fides Hautle
Entscheid vom 14. Dezember 2007 in Sachen
S. ,
Beschwerdeführerin,
vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. Jakob Ackermann, Jonerhof, Postfach 2044,
8645 Jona,
gegen
IV-Stelle des Kantons St. Gallen, Postfach 368, 9016 St. Gallen,
Beschwerdegegnerin, betreffend Rentenrevision
Sachverhalt: A.
Die 1961 geborene S. meldete sich am 11./17. Oktober 2000 zum Bezug von IV-Leistungen an und beantragte namentlich eine Rente. Sie gab an, sie habe eine Anlehre gemacht. Ihre Rückenprobleme hinderten sie an langem Stehen und Sitzen sowie am Heben schwerer Sachen. Ihr Knie sei von Arthrose betroffen. Sie habe auch Beschwerden an Finger-, Handund Zehengelenken, Ellbogen, am Genick und teilweise am "Brustgelenk". Mangels Kraft in den Händen könne sie zeitweise keine Flasche öffnen, keinen Knopf schliessen und den Haushalt nur teilweise selber machen. Wegen der Schmerzen leide sie überdies an Schlafproblemen und Müdigkeit (IV-act. 1).
Dr. med. A. , Allgemeinmedizin FMH, diagnostizierte gemäss seinem Bericht vom 13. November 2000 Polyarthralgien unklarer Ursache, eine Retropatellararthrose rechts, ein chronisch rezidivierendes Lumbovertebralsyndrom, eine Tendovaginitis stenosans Extensor Dig 1 rechts und einen Status nach rezidivierenden Gastritiden. Der Gesundheitsschaden habe sich seit Juni 1999 progredient entwickelt. Weder dem vor ihm behandelnden Arzt noch dem rheumatologischen Facharzt sei es gelungen, objektive Befunde zu erheben, d.h. sinngemäss die beklagten Beschwerden nach ihren
Ursachen zu objektivieren. Unter einer intensiven medizinischen Trainingstherapie habe sich die Situation verschlechtert, mit einer medikamentösen Therapie leicht verbessert. Es sei möglich, dass im Verlauf von einem bis zwei Jahren auch bei persistierend negativem Labor die Knochenszintigraphie einen positiven synovitischen Befund erbringen könnte. Dann könnten stärkere Medikamente eingesetzt und dadurch könnte möglicherweise die Arbeitsfähigkeit deutlich gesteigert werden. Im Moment und seit Oktober 1999 sei die Versicherte als Verkäuferin, Spettfrau und Serviceangestellte zu 100 % arbeitsunfähig. Eine Vermittlung auch ausserhalb des angelernten Berufes sei gegenwärtig schwer vorstellbar. Ihre ganztägige reduzierte Leistung erbringe sie nun im Haushalt. Sie sei nur im Stande, den Haushalt unvollständig zu leisten (IV-act. 6-3 ff./ 11). Einem beigelegten Bericht der Klinik für Radio-Onkologie und Nuklearmedizin am Stadtspital Triemli vom 28. Januar 2000 war zu entnehmen, dass dort Szintigramme erstellt worden waren. In dem ebenfalls beigelegten Austrittsbericht der Klinik Valens
über den stationären Aufenthalt der Versicherten vom 24. Februar bis 9. März 2000 waren als Diagnosen bekannt gegeben worden: (erstens) eine Polyarthralgie unklarer Ätiologie mit/bei Finger-, Handund Fussgelenksbefall beidseits (DD: 1. Palindromer Rheumatismus, 2. Hydrops intermittens), (zweitens) eine Tendovaginitis stenosans Extensor Dig I rechts, (drittens) eine Retropatellararthrose rechts, (viertens) ein chronisch rezidivierendes Lumbovertebralsyndrom und (fünftens) ein Status nach rezidvierenden Gastritiden (letztmals ca. 1997). Für leichte bis mittelschwere, wechselbelastende Arbeit sei die Versicherte zu 100 % arbeitsfähig (IV-act. 6-8 ff./11).
Am 13. Februar 2001 führte die Sozialversicherungsanstalt/IV-Stelle des Kantons St. Gallen eine Abklärung an Ort und Stelle im Haushalt durch und ermittelte dort eine Einschränkung von 62.23 %. Die Versicherte habe im Verkauf, im Service und im Industriebereich gearbeitet. Während ihrer ersten Ehe von 1988 bis 1995 habe sie stets dazuverdienen müssen. Zuletzt sei sie im Jahr 1999 an 12 Stunden pro Woche als Reinigungsangestellte bei einem Zahnarzt (für Praxis und privat) angestellt gewesen, habe die Arbeit aber aufgeben müssen, da sie seit Sommer 1999 regelmässig auf die Hilfe ihrer Mutter angewiesen gewesen sei. Sie wäre sonst weiterhin erwerbstätig, mit steigender Tendenz. Es wurde eine Aufteilung des Aufgabenbereichs in 30 % Erwerbstätigkeit und 70 % Haushalt vorgenommen, woraus sich ab Oktober 2000 ein Invaliditätsgrad von 74 % ergebe (IV-act. 9). Mit Verfügung vom 15. Juni 2001 sprach die IV-Stelle der Versicherten dementsprechend ab 1. Oktober 2000 bei einem Invaliditätsgrad von 74 % eine ganze Invalidenrente zu (IV-act. 15). Eine Revision war auf Juli 2003 vorgesehen (IV-act. 12).
B.
B.a Im August 2004 nahm die Verwaltung ein Revisionsverfahren auf. Die Versicherte gab im Revisionsfragebogen am 20. September 2004 an, ihr Gesundheitszustand sei gleich geblieben (IV-act. 19).
In seinem Arztbericht vom 16. Oktober 2004 attestierte Dr. A. der Versicherten wiederum eine Arbeitsunfähigkeit von 100 %. Der Gesundheitszustand sei stationär. Er habe sie zuletzt am 2. März 2004 untersucht. Trotz entsprechenden Bemühungen habe nie etwas Objektives als Ursache gefunden werden können. Es beruhe alles auf den
Angaben der Versicherten. Mit den angegebenen Beschwerden (Gelenksbeschwerden; Anlaufschwierigkeiten; Mühe, den Haushalt zu erledigen) habe er beim Erscheinen in der Sprechstunde etwas Mühe. Er frage sich, ob es richtig sei, dass die Versicherte die Rente beziehe (IV-act. 20).
Auf die Frage, ob weiterhin von einer Arbeitsunfähigkeit von 100 % ausgegangen werden könne Abklärungen zu machen seien, hielt der Regionale Ärztliche Dienst (RAD) der Invalidenversicherung (Dr. med. B. ) am 5. Januar 2005 fest, aus medizinischer Sicht bestehe kein Revisionsgrund, also auch keine Indikation zur Abklärung. In der Folge hielt die Fachmitarbeiterin fest, medizinisch gesehen sei die Sachlage dieselbe wie im Jahr 2001, es sei nämlich das Vorliegen einer Invalidität nicht ausgewiesen. Es habe eine Abklärung stattzufinden. Der RAD (Dr. med. C. ) befürwortete sie am 26. Januar 2005 angesichts der divergierenden Angaben.
Das Ärztliche Begutachtungsinstitut Basel (ABI) erhob gemäss seinem Gutachten vom 31. Januar 2006 keine Diagnosen mit Einfluss auf die Arbeitsfähigkeit. Als Diagnosen ohne Einfluss auf die Arbeitsfähigkeit wurden bezeichnet (erstens) eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren (mit multilokulärem, unspezifischem Schmerzsyndrom, bei Polyarthralgien sowie lumbalund zervikalbetontem Panvertebralsyndrom, sowie muskulärer Insuffizienz und Dekonditionierung, (zweitens) Nikotinkonsum und (drittens) rezidivierende gastrische Beschwerden unter andauernder Einnahme von NSAID und anamnestisch Dauertherapie mit PPI. Im Vordergrund stehe eine ausgeprägte muskuläre Dekonditionierung, weshalb körperlich schwer belastende Tätigkeiten ungeeignet seien. Körperlich leichte bis intermittierend mittelschwere Tätigkeiten seien der Versicherten uneingeschränkt zumutbar. Auch aus psychiatrischer Sicht sei die Arbeitsfähigkeit nicht eingeschränkt. Im Haushalt sei ebenfalls keine nennenswerte Einschränkung festzustellen, allerhöchstens eine solche sogar revertierbare von
10 % wegen der Dekonditionierung. Der Versicherten sei aus psychiatrischer Sicht die Willensanstrengung zumutbar, trotz subjektiv angegebener Beschwerden einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Es bestehe Übereinstimmung mit der Beurteilung durch die Klinik Valens; weshalb Dr. A. eine Arbeitsunfähigkeit attestiert habe, sei nicht nachvollziehbar. Auf die Frage nach dem Beginn der Arbeitsfähigkeit wurde dargelegt, es sei schwierig, gegenwärtig in der Vergangenheit eine medizinisch begründete
Arbeitsunfähigkeit verstehen zu können; es gebe wenige Hinweise, dass der Zustand 1999 tatsächlich besorgniserregend gewesen sei; mit Sicherheit sei die Arbeitsfähigkeit ab dem 14. Dezember 2005 nicht eingeschränkt (IV-act. 30).
Der RAD (Dr. C. ) gelangte zum Schluss, der Gesundheitszustand der
Versicherten sei seit 1999 unverändert geblieben (IV-act. 31).
Auf Anfrage, zu wieviel Prozent sie gegenwärtig bei voller Gesundheit erwerbstätig wäre, teilte die Versicherte am 27. Februar 2006 mit, sie hätte dann einen Imbisswagen haben können, was eine vollzeitliche Arbeit bedeutet hätte.
Mit Verfügung vom 14. März 2006 stellte die IV-Stelle des Kantons St. Gallen die Rente der Versicherten auf das Ende des der Zustellung der Verfügung folgenden Monats (Ende April 2006) ein. Sie sei nun als zu 100 % Erwerbstätige einzustufen, was einen Revisionsgrund darstelle. Medizinisch gesehen sei sie zu 100 % erwerbsfähig. Die Rente sei bereits zu Unrecht zugesprochen worden, denn sie (die Versicherte) sei schon damals in körperlich leichten Tätigkeiten zu 100 % arbeitsfähig gewesen. Auf eine rückwirkende Rentenaufhebung und damit auf die Rückforderung der bereits ausbezahlten Rentenbeträge werde aber verzichtet. Die Einsprache habe keine aufschiebende Wirkung (IV-act 39).
Gegen diese Verfügung erhob die Versicherte am 10. April 2006 Einsprache und beantragte die weitere Ausrichtung einer ganzen Invalidenrente. Seit der Zusprache habe sich der Gesundheitszustand nicht verbessert, eher verschlechtert (IV-act 42). Ihr Rechtsvertreter ergänzte am 13. Juni 2006, die Einschätzung des Gutachtens stimme nicht mit dem tatsächlichen Gesundheitszustand der Versicherten überein. Es sei unbestritten, dass sie seit 1999 zu 73.56 % behindert sei. Das habe das Gutachten nicht umstossen können. Andernfalls wäre die Verfügung vom 8. Mai 2001 gänzlich unglaubwürdig. Auch bei der Revision vom Juli 2003 habe sich am Invaliditätsgrad von 74 % nichts geändert (IV-act. 46).
Mit Entscheid vom 30. Juni 2006 wies der Rechtsdienst der Sozialversicherungsanstalt/IV-Stelle die Einsprache ab und entzog einer allfälligen Beschwerde die aufschiebende Wirkung. Der Gesundheitszustand der Versicherten
habe sich seit Juni 2001 nicht wesentlich verändert. Hingegen sei bei den wirtschaftlichen Verhältnissen eine Änderung eingetreten, indem sie neu vollzeitlich erwerbstätig wäre. Dadurch lasse sich die Renteneinstellung allerdings nicht rechtfertigen, da bei der Zusprechung von einer vollen Arbeitsunfähigkeit im Erwerb ausgegangen worden sei. Eine Verfügung, in welcher zu Unrecht die Anpassungsvoraussetzungen als gegeben betrachtet würden, könne aber gegebenenfalls mit der substituierten Begründung geschützt werden, dass die Wiedererwägungsvoraussetzungen erfüllt seien. Dies sei vorliegend der Fall, denn sie hätte auf die Arbeitsunfähigkeitsschätzung von Dr. A. nicht abstellen dürfen, habe er die Arbeitsunfähigkeit doch lediglich anhand der subjektiven Angaben der Versicherten festgelegt, ohne objektive Befunde gefunden zu haben. Ausserdem sei der Bericht der Klinik Valens ohne ersichtlichen Grund übergangen worden. Die rentenzusprechende Verfügung sei zweifellos unrichtig und könne in Wiedererwägung gezogen werden. Auf das Gutachten könne abgestellt werden (IV-act. 49).
C.
Gegen diesen Einspracheentscheid richtet sich die von Rechtsanwalt lic. iur. Jakob Ackermann für die Betroffene am 1. September 2006 erhobene Beschwerde. Der Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin beantragt die Aufhebung des Einspracheentscheids, die Bezahlung einer ganzen Rente ab 1. Mai 2006 sowie die Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung. Die Beschwerdeführerin sei mit ihrem Gesundheitszustand nicht in der Lage, ein Einkommen zu erzielen. Sie befinde sich wieder in ärztlicher Behandlung; die Diagnose laute auf Fibromyalgie und "pneumonische Störung". Sie könne demnach keine Tätigkeiten ausüben, welche über eine ganz leichte Belastung hinausgingen. Das zeige das eingelegte Arztzeugnis von Dr. med. D. , Arzt für Allgemeine Medizin FMH, vom 31. August 2006. Nach mündlichen Auskünften des Arztes dürfte sie für körperlich leichte bis mittelschwere Arbeit nicht voll arbeitsfähig sein. Im Haushalt bestehe noch eine Arbeitsunfähigkeit von 62.23 %. Die Aufteilung der Bereiche in 70 % Haushalttätigkeit und 30 % Erwerb dürfte noch immer zutreffen. Das Gutachten stehe im Widerspruch zum gegenwärtigen gesundheitlichen Zustand der Beschwerdeführerin. Es sei ein Obergutachten einzuholen. Dieses werde darüber Aufschluss geben, ob die Beschwerdeführerin noch arbeitsfähig sei; es dürfte sich eine Invalidität von mindestens 70 % ergeben. Dr. D.
habe sie ab 15. Juli 2006 arbeitsunfähig geschrieben. Dr. D. hatte erklärt, die Beschwerdeführerin, die er seit dem 16. August 2006 kenne, sei ab dem 15. Juli 2006 voll arbeitsunfähig. Die gültige Beurteilung der Arbeitsfähigkeit stehe noch aus. Es sei eine pneumologische Abklärung vorgesehen. Die Beschwerdeführerin könne keine Tätigkeiten mit schweren Lasten ausüben, sondern nur ganz leichte Tätigkeiten, auch im Haushalt.
D.
Die Beschwerdegegnerin beantragt in ihrer Beschwerdeantwort vom 8. September
2006 die Abweisung der Beschwerde. Erwägungen:
1.
Mit dem angefochtenen Entscheid vom 30. Juni 2006 hat die Beschwerdegegnerin die Einsprache gegen die Verfügung vom 14. März 2006 abgewiesen, mit welcher sie die Invalidenrente der Beschwerdeführerin einstellte. Die Beschwerdegegnerin benennt zwar mit der Änderung der hypothetischen Validentätigkeit einen Anpassungsgrund, hat aber in der Verfügung ausdrücklich festgehalten, schon die ursprüngliche Rentenzusprechung sei zu Unrecht erfolgt. Sie verzichte aber auf die rückwirkende Aufhebung und auf die Rückforderung der ausbezahlten Rentenbeträge. Im Einspracheentscheid bekräftigt sie, die ursprüngliche Verfügung sei zweifellos unrichtig und könne in Wiedererwägung gezogen werden. Mit dem Revisionsgrund lasse sich die Einstellung nicht rechtfertigen. Strittig ist somit die Rechtmässigkeit der Wiedererwägung.
2.
Gemäss Art. 53 Abs. 2 ATSG kann der Versicherungsträger auf formell rechtskräftige Verfügungen Einspracheentscheide zurückkommen, wenn diese zweifellos unrichtig sind und wenn ihre Berichtigung von erheblicher Bedeutung ist (vgl. auch BGE 127 V 466 E. 2c). Die für die Wiedererwägung rechtskräftiger Verfügungen vorausgesetzte zweifellose Unrichtigkeit liegt praxisgemäss vor, wenn kein vernünftiger
Zweifel daran möglich ist, dass die Verfügung unrichtig war. Es ist nur ein einziger Schluss - derjenige auf die Unrichtigkeit der Verfügung möglich (Entscheid des Eidgenössischen Versicherungsgerichts i/S E. vom 16. August 2005, U 127/05; vgl. BGE 125 V 393; Ueli Kieser, Kommentar zu Art. 53 ATSG, N 20). Diese Zweifellosigkeit muss von der Partei, welche sich auf die Unrichtigkeit beruft, substantiiert dargelegt werden (Entscheid des Eidgenössischen Versicherungsgerichts i/S H. vom 24. Mai 2005, I 88/04). Liegt der Wiedererwägungsgrund im Bereich materieller Anspruchsvoraussetzungen (beispielsweise der Invalidität nach Art. 28 IVG), deren Beurteilung in Bezug auf gewisse Schritte und Elemente (z.B. Schätzungen, Beweiswürdigungen, Zumutbarkeitsfragen) notwendigerweise Ermessenszüge aufweist, scheidet die Annahme zweifelloser Unrichtigkeit aus, wenn die Beurteilung solcher Anspruchsvoraussetzungen vor dem Hintergrund der Rechtslage, wie sie sich im Zeitpunkt der rechtskräftigen Leistungszusprechung darbot (BGE 125 V 389 f. E. 3), als vertretbar erscheint (Entscheid des Eidgenössischen Versicherungsgerichts i/S L. vom 28. Juli 2005, I 276/04).
Bei der ursprünglichen Verfügung war die Beschwerdegegnerin davon ausgegangen, dass die Beschwerdeführerin im Erwerbsteil vollständig und im Haushaltteil zu 62.23 % arbeitsunfähig sei. Sie hatte sich dabei einerseits auf die Angaben vom 13. November 2000 des behandelnden Arztes Dr. A. zur Arbeitsfähigkeit und anderseits auf das Ergebnis der Haushaltabklärung gestützt.
Dr. A. hatte der Beschwerdeführerin eine Arbeitsunfähigkeit von 100 % seit Oktober 1999 attestiert. Zum andern hatte aber ein Bericht der Klinik Valens vorgelegen. Danach bestand im Gegenteil eine volle Arbeitsfähigkeit für leichte bis selbst mittelschwere, wechselbelastende Arbeit. Diese ärztliche Beurteilung der spezialisierten Klinik war nach einem stationären Aufenthalt der Beschwerdeführerin vom 24. Februar bis 9. März 2000 abgegeben worden. Ihr hätte deshalb bei der Beweiswürdigung zweifellos ein erhebliches Gewicht beigemessen werden müssen. Stattdessen ist sie offensichtlich gänzlich ausser Acht geblieben. Weshalb die Verwaltung sie nicht wenigstens zum Anlass genommen hat, einen Abklärungsbedarf anzunehmen, lässt sich nicht nachvollziehen. Dr. A. hatte in seinem Arztbericht im Übrigen
festgehalten, es sei bis dahin nicht gelungen, objektive Befunde zu erheben. Aufgrund seines Berichts vom 16. Oktober 2004 ist darauf zu schliessen, dass damit nicht allein auf eine noch nicht gefundene Erklärung der Ursachen hingewiesen, sondern die
Objektivierung der Beschwerdeangaben und damit der Arbeitsfähigkeitsschätzung relativiert worden war.
Von einer Arbeitsunfähigkeit von 100 % im Erwerbsbereich auszugehen und die Angaben der Beschwerdeführerin bei der Abklärung an Ort und Stelle nicht anhand einer objektivierten medizinischen Arbeitsfähigkeitsschätzung zu verifizieren, war demnach zweifellos unrichtig. Wie sich aus dem Gutachten vom 31. Januar 2006 ergibt, ist davon auszugehen, dass leichte bis intermittierend mittelschwere Tätigkeiten der Beschwerdeführerin uneingeschränkt zumutbar sind, ohne dass sich ein Anhaltspunkt für eine mögliche Veränderung im Zeitablauf ergeben hätte. Die Einschätzung der Klinik Valens hat somit nachträglich eine Bestätigung gefunden. Es
wäre demnach bereits bei der ursprünglichen Verfügung über das Leistungsgesuch von einer medizinisch zumutbaren Arbeitsfähigkeit im Erwerbsbereich von 100 % für angepasste Tätigkeiten auszugehen gewesen. Auf das Gutachten kann abgestellt werden; das Attest von Dr. D. muss nicht zum Anlass für Zweifel an der Stichhaltigkeit genommen werden. Dr. D. hatte seiner Beurteilung keinen endgültigen Charakter beigemessen und nebst dem Attest voller Arbeitsunfähigkeit erwähnt, die Beschwerdeführerin könne nur noch ganz leichte Tätigkeiten ausüben. Weitere Abklärungen (zum Sachverhalt im hier massgeblichen Zeitraum) sind nicht erforderlich.
Auch im Haushaltbereich hätte in Anbetracht der vollen Arbeitsfähigkeit für leichte bis mittelschwere Arbeiten nicht von einer so weitreichenden Arbeitsunfähigkeit ausgegangen werden dürfen, fallen doch in diesem Bereich zwar auch schwerere, aber doch auch leichte bis mittelschwere Arbeiten an. Nach dem Gutachten liegt im Haushalt keine nennenswerte, allerhöchstens aber eine 10-prozentige Einschränkung vor. Unter diesen Umständen waren die Voraussetzungen einer Rentenzusprechung nicht erfüllt und die ursprüngliche Verfügung vom 15. Juni 2001 erweist sich als offensichtlich unrichtig. Die Berichtigung ist von erheblicher Bedeutung.
Nach der Praxis des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen erlaubt die Wiedererwägungsfreiheit der Verwaltung ihr nicht, die Wiedererwägung nur ex nunc et pro futuro vorzunehmen, da die Wiedererwägung notwendigerweise den Widerruf der ursprünglichen, zweifellos unrichtigen Verfügung und ihre gänzliche Ersetzung
beinhaltet (so etwa im nicht veröffentlichten Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen i/S K.H. vom 20. Januar 2004, in welcher Sache das Eidgenössische Versicherungsgericht eine entsprechende Änderung seiner Praxis mit Entscheid vom 24. Mai 2005, I 88/04, abgelehnt hat). Vorliegend ist trotz des missverständlichen Hinweises auf den Verzicht auf die "rückwirkende Rentenaufhebung" - davon auszugehen, dass die Beschwerdegegnerin ihre Verfügung vom 15. Juni 2001 durch die im Einspracheverfahren bestätigte Verfügung vom
14. März 2006 korrekt ex tunc in Wiedererwägung gezogen, dass sie aber darauf
verzichtet hat, die daraus sich ergebende Rückforderung zu stellen.
Der angefochtene Einspracheentscheid erweist sich somit als rechtmässig. Dass die Beschwerdegegnerin darauf verzichtet, die bis zum Monat, der auf den Verfügungszeitpunkt folgt, ausgerichteten Leistungen zurückzufordern, bildet nicht Streitgegenstand im vorliegenden Verfahren.
3.
Im Sinne der vorstehenden Erwägungen ist die Beschwerde abzuweisen.
Gerichtskosten sind keine zu erheben (Art. 61 lit. a ATSG, Rechtslage vor der Änderung des IVG vom 16. Dezember 2005, wie die betreffenden Übergangsbestimmungen). Es besteht bei diesem Ausgang des Verfahrens kein Anspruch auf eine Parteientschädigung. Die Beschwerdeführerin hat aber ein Gesuch um unentgeltliche Rechtsverbeiständung stellen lassen. Aufgrund der eingereichten Unterlagen rechtfertigt sich die Annahme, die Voraussetzungen seien erfüllt, so dass die Rechtsverbeiständung rückwirkend für das gesamte Verfahren zu bewilligen ist. Rechtsanwalt lic. iur. Jakob
Ackermann, Jona, wird zum Beistand bestimmt. Die Höhe der Entschädigung ist vom Gericht ermessensweise festzusetzen. Eine Entschädigung von Fr. 3'500.-erscheint als angemessen. Diese Entschädigung ist in Anwendung von Art. 31 Abs. 3 des st. gallischen Anwaltsgesetzes um 20 % auf Fr. 2'800.-- (einschliesslich Barauslagen und Mehrwertsteuer) zu kürzen.
Demgemäss hat das Versicherungsgericht
im Zirkulationsverfahren gemäss Art. 53 GerG entschieden:
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
Der Staat entschädigt den Rechtsbeistand der Beschwerdeführerin mit Fr. 2'800.--.
Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.
Hier geht es zurück zur Suchmaschine.